Weltmeisterschaften in Dublin
“Auch Kinder deren Väter lange Zeit in der Küche verbracht haben, sollen in der Schule nicht lernen wie man intelligente, humane Maschinen baut”
Vom 27. Dezember 2005 bis zum 4. Januar 2006 fanden die Weltmeisterschaften im Hochschuldebattieren (formal korrekt: Worlds University Debating Championships) in Dublin statt. Die Sprache des Turniers war natürlich Englisch, bei dem Format handelte es sich um British Parliamentry Style (BPS). Einer der Hauptunterschiede zu OPD ist, dass es vier Teams (2 Pro/ 2Contra) à 2 Teammitglieder gibt. Freie Sprecher existieren nicht. Weltmeister 2006 wurde Hart House A aus Kanada. Im ESL (english as a second language) Final siegte Erasmus A aus Holland vor Bremen A, Boylaui A und Bonaparte A. Tübingen konnte mit 10 Punkten in den Vorrunden die deutschen Teams von Freiburg B und München hinter sich lassen.
Doch nun zum Turnierablauf. Alles begann in den frühen Morgenstunden des 27. Dezembers. Zwei junge dynamische Tübinger namens Dominic Hildebrand und Michael Becker machten sich auf, die Welt zu erobern. Doch vorerst galt es hochgefährliche Gepäckbestandteile an den Sicherheitskräften des Frankfurter Flughafens vorbeizuschmuggeln. Nachdem der Test des Föns auf Sprengstoff zu aller Verwunderung negativ war, konnte die Reise weitergehen. Die Unterkunft, das 4 Sterne Hotel Burlington, erinnerte von außen doch stark an die Uni Klinik in Frankfurt. Von Innen zum Glück nicht. Edle Holzgarnituren, Fernseher, geräumiges Bad revidierten den ersten Eindruck vorerst wieder. Jedoch nur vorerst. Der Eindruck verschlechterte sich nämlich wieder beim Frühstück, dass einerseits aus vertrockneten Brötchen und vertrockneten Haferkuchen, andererseits aus wässrigem Ei und labbrigem Schinken bestand. Aber auch das Mittagessen in der Mensa der Ausrichtertuniversität UCD war nicht bedeutend besser: Ein Sandwich, eine Orange, ein Twix und eine Flasche Wasser.
Am 29. Dezember starteten schließlich die Vorrunden. Voller Aufregung begab man sich in das Theatre L, einem der größten Hörsäale der Universität. Da saß man nun inmitten von 324 Teams aus Bangladesch, Malaysia, Indonesien, Israel, Australien, Irland, Schottland, England, Japan, Hong Kong, den Vereinigten Staaten, Kanada usw.. Um 9:30 Uhr sollte die erste Debatte starten. Der Beginn verzögerte sich jedoch um ca. 1-2 Stunden, was fast bei jeder Runde der Fall war und nicht gerade dazu beitrug die anfängliche Nervosität verschwinden zu lassen. Hinzu kam die Tatsache, dass wir keine französische Mannschaft unter den Teilnehmern ausmachen konnten. Hatte man uns doch zuvor versichert, dass man gar nicht schlecher als die Franzosen abschneiden könne. Das Motion der ersten Runde lautete: This House Would Grant An Amnesty To All Illegal Immigrants Currently In The United States. Von der ersten Runde versprachen wir uns nicht fiel, da man hier meistens nur auf Muttersprachler trifft, was auch der Fall war. Trotzdem konnten wir immerhin einen dritten Platz in dieser Debatte erreichen. In den folgenden Runden wurden wir dann zunächst Vierter und schließlich wieder Dritter. Da wir in allen Debatten des Tages fast ausschließlich mit Muttersprachlern debattiert hatten, waren wir mit unserer Leistung im Großen und Ganzen zu Frieden.
Am zweiten Tag waren wir nun auch mit ESL Speakern zusammen in den Runden,obwohl die meisten leicht besser Englisch sprachen als wir . Trotzdem konnten wir uns in der vierten und sechsten Runde den zweiten Platz sichern. Lediglich die vierte Runde deren Motion lautete: This House Would Give Japan An Permanent Seat On The UN Security Council, wurde von einer zweifelhaften Judgeentscheidung überschattet (eindeutig neue Argumente unsererseits wurden nicht als solche anerkannt), so dass wir hier statt des verdienten Dritten den Vierten Platz erhielten. Am letzten Vorrundentag (31. Dezember) hatten wir wieder das Pech nur mit Muttersprachlern debattieren zu dürfen, so dass wir knapp den dritten Platz verpassten. In der darauf folgenden Debatte erreichten wir als zweite Opposition endlich sogar recht souverän den ersten Platz um in der dritten Debatte des Tages dann Dritter zu werden. Mit insgesamt 10 Punkten konnten wir vor München wie Freiburg B gelangen und selbst das Break zum ESL Final erwies sich als nicht so weit entfernt wie wir bei Turnierbeginn gedacht hatten, hatten die späteren ESL Worldchampions doch auch nur 12 Punkte erreichen können. Die Tatsache, dass wir in Sachen Englisch nicht mit den Muttersprachlern und auch manchen ESL Teams mithalten konnten, stellte kein großes Hindernis dar, da hauptsächlich nur nach Argumentation und nicht, oder wenn, dann nur wenig, nach Sprachkraft, Gestik etc., beurteilt wurde. Problematisch wurde es nur, wenn Muttersprachler deswegen der Meinung waren mit Tempo 200 wasserfallartig mit Argumenten um sich zu werfen, so dass selbst andere Muttersprachler kaum noch etwas verstehen konnten.
Ein ganz besonderes Motion, weil hier das beste Squirell des ganzen Turnieres entstanden ist, war das der sechsten Runde: This House Would Not Allow Intelligent Design To Be Included In The School Science Curriculum. Wir befanden uns in der Position der ersten Opposition. Da das Team aus Hong-Kong nichts mit dem Begriff Intelligent Design anzufangen wusste, ging es davon aus, dass es darum ging, den Schülern nicht beizubringen wie man intelligente menschenähnliche Roboter baut. Wir „challengten“ den Antrag der Regierung mit der Folge, dass die zweite Regierung „unserer“ Definition nicht glaubte und mit der Argumentation der Roboterfreunde weiterfuhr. Neben diesen Geistesblitzen zu eben diesem Motion gelang es anderen Regierungen zwar zu erkennen um was es sich bei „Intelligent Design“ handelt, jedoch dem Haus einen kaum schlechteren und minder witzigen Antrag zu unterbreiten:
„Why in God`s sake should anybody want intelligent design to be taught in school?“
Wie man von befreundeten Teams erfuhr, sorgten auch die Tücken der englischen Sprache für den einen oder anderen lauten Lacher:
„Even men that had spend a long time in the kitchen (gemeint war das deutche Kitchen) can become good men.“
Am Ende der Vorrunden hatten die Deutschen das bisher noch nie Dagewesene geschafft: Internationale Uni Bremen A, Internationale Uni Bremen B, Bonn A sowie Berlin C waren im ESL Viertelfinale. Berlin schaffte es bis zum Halbfinale und IU Bremen A sogar bis ins Finale. Hier kam es schließlich zum Duell der Duelle. Holland gegen Deutschland. Nachdem die holländische Delegation einstimmig „Schade Deutschland, alles ist vorbei!“ angestimmt, und die deutsche Delegation mit „Ihr könnt nach Hause gehen!“ gekontert hatte, startete das Finale, bei dem Erasmus A (Holland) nur knapp gewann. Im Grand Final konnte sich Hart House A gegen Yale E, Inner Temple A und Chicago A durchsetzen. Moderiert wurde das Finale von keinem geringeren als Mr. Fitzgerald. Das Motion lautete: „This House Would Abolish All Laws Prohibiting Cruelty To Animals.“
Natürlich, wie könnte es auch anders sein, wenn sich über 600 Studenten aus der ganzen Welt versammeln, wurde gefeiert bis zum Umfallen. Angefangen von der Welcome Party im Club Anabel, einem der angesagtesten Clubs Dublins, über die Irish Culture Night, die Canada Night, wie natürlich die Break Night an Silvester mit einer verdammt guten Beatles Coverband. Auf allen Feiern gab es Wein, Bier, Whisky usw. umsonst. Aber nicht nur das: Auch das Essen auf den Feiern war hervorragend. An Silvester versammelte sich dann auch die deutsche Delegation um um 24 Uhr deutscher Zeit mit einem schallenden „Freude schöner Götterfunken“ auf das neue Jahr anzusingen. Die Feierstimmung der Turnierteilnehmer wurde lediglich durch unter den Teilnehmern grassierende Krankheiten gedämpft. Mal war es virale Meningitis, am nächsten Tag entschied sich die Turnierleitung es das Influenzavirus sein zu lassen. Vielleicht handelte es sich aber nur um ein willkommenes Mittel um die vielen, oft lauten, Zimmerpartys wegen Infektionsgefahr beenden zu können.
Auch die kulturelle Seite kam nicht zu kurz. Mal redeten fünf Frauen über ihre Vagina, was in den USA anscheinend der große Renner zu sein scheint, dort gibt es mittlerweile den sogenannten V-Day, mal hatte man die Möglichkeit sich Dublin, seine Parks, Museen und Denkmäler, anzusehen. Ich kann nur jeden ermutigen auch an den Worlds teilzunehmen. Vermeintlich schlechtes Englisch kann kein Hinderungsgrund sein, zumal dies auch eine Gelegenheit ist, sein Englisch zu verbessern. Und wenn man sich dennoch nicht trauen sollte zu sprechen, so gibt es ja noch die Möglichkeit als Judge teilzunehmen. Nächstes Jahr werden die Weltmeisterschaften zur gleichen Zeit in Vancouver stattfinden.
Es war eine wundervolle Woche in einem vier Sterne Hotel mit Alkohol so viel man will, mit wunderschönen Frauen, mit viel Kultur, geistreichen Debatten und einfach viel Spaß. All das für nur ca. 380 €. Wer will sich das wirklich entgehen lassen? Besser als die Delegationsleiterin Südafrikas kann man es nicht sagen:
„It`s all about sex, celebrating and debating.“
BPS Worlds Club:
- DIE ERSTE REGEL des BPS Worlds Club lautet:
Vergisst alles was Ihr über Gestik, Blickkontakt oder Ahnliches gelernt habt. Ihr werdet es nicht brauchen. - DIE ZWEITE REGEL des BPS Worlds Club lautet:
Vergisst alles was Ihr über Gestik, Blickkontakt oder Ähnliches gelernt habt. Ihr werdet es nicht brauchen. - DIE DRITTE REGEL des BPS Worlds Club lautet:
Redet so, dass es auch euer zweijähriger Bruder verstehen würde. D.h. sagt, dass ihr die Argumente wiederlegt, sagt wenn ihr ein neues Argument bringt: Ich bringe ein neues Argument, etc. etc. - DIE VIERTE REGEL des BPS Worlds Club lautet:
Vorbereitung ist alles. Am besten ihr druckt euch die Debatabase aus. Denn Argumentation ist alles. Mindestens den Weltalmanach sollte man dabei haben. - DIE FÜNFTE REGEL des BPS Worlds Club lautet:
Seid höflich den Juroren gegenüber.
Bericht von Michael Becker
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